Wir sind inzwischen im Jahr 2016 angekommen. Damit wir mit unserem Projekt vorankommen, fahren wir bereits in den Pfingstferien weiter. Von Bischofshofen geht es zunächst unter dem Hochkönig und dem Steinernen Meer über den Dientner Sattel bis zum Zeller See.
Von dort wollen über die Großglockner-Hochalpenstraße und den Hauptkamm fahren. An der Mautstelle müssen wir als Radfahrer nichts zahlen. Aber die Angestellten fragen uns, wo wir denn bei diesem Wetter – nämlich Nieselregen - mit Kind hinwollen. Wir beruhigen sie, wir würden nur ein bisschen Kondition trainieren und nach 1-2 Stunden zurück sein. Es regnet, aber wir sind einfach weitergefahren – und es wird eine sehr spannende Etappe.
Weiter oben hört zwar der regen auf, aber es ist ziemlich kalt. Isabella hatte es schön warm in ihrem Anhänger – sie hat da ihr eigenes Klima, während manche besorgte Leute unterwegs meinen, das arme Kind friert sich den Hintern ab. Dank des schlechten Wetters haben wir die Straße fast für uns allein ohne Motorrad- oder Autokolonnen. Und nur einen Tag später wird die Glocknerstraße wegen der schlechten Wetterverhältnisse für Motorräder sogar ganz gesperrt!
Nach ein paar Tagen Pause starten wir wieder in Lienz, aber diesmal von Südtirol bzw. dem Pustertal aus. Wir fahren ins romantische Defereggental. Es gehört zum Nationalpark Hohe Tauern und ist eines der unberührtesten Hochgebirgstäler in den Alpen. Zum Schlussmüssen wir den Staller Sattel überqueren, um weiterzukommen, hinüber ins Antholzer Tal. Bis zum Pass selbst gab es die unterschiedlichsten Informationen, ob man ihn überhaupt fahren darf. Erst oben ist es klar: es gibt Zeitbeschränkungen - von der 1.-15. Minute jeder Stunde darf er nur von der österreichischen Seite gefahren werden. Umgekehrt gilt dann die Fahrerlaubnis von der italienischen Seite nur von der 30.-45. Minute, weil die Straße für Gegenverkehr zu schmal ist.
Transport-Logistik: die logistischen Probleme unseres Transalp-Projektes sind durchaus eine Herausforderung. Aus beruflichen und privaten Gründen konnten wir nicht einfach die Tour in einem Stück durchfahren und mussten sie deshalb in Teilabschnitten aufgliedern. Wir sind also mit unserem Wohnmobil an einen günstigen Ausgangspunkt gefahren und dann aufs Rad umgestiegen. Aber dann müssen wir ja irgendwann mit öffentlichen Verkehrsmitteln wieder zum Auto zurück. Oder man fährt erst mal vom Parkplatz mit der Bahn zum nächsten Ausgangspunkt und mit den Rädern zum Auto zurück.
Insgesamt sind wir unsere Längstransalp also etwa dreimal gefahren: einmal mit dem Rad und einmal zurück zum Ausgangspunkt mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus oder Bahn) und letztendlich noch per Auto, um zu den jeweiligen Ausgangspunkten zu kommen.
Es kam die Frage auf, warum nicht gleich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Gebirge und zurück. Mit zwei schweren Rädern, Packtaschen, Anhänger und Kind macht das bei mehrmaligem Umsteigen überhaupt keinen Spaß. Außerdem haben wir im Wohnmobil Ersatzkleider, Ausrüstung sowie Proviant und können bei An- und Abreise auch gleich einmal vor Ort übernachten oder notfalls Schlechtwetter abwarten.
Wir kommen als nächstes in die Dolomiten – sie sind ein Zauberland, das jedem etwas bietet.Oberhalb von Cortina biegen wir auf den normalerweise wenig befahrenen Giaupass ab. Wir wundern uns über den Verkehr und die vielen Wohnmobile am Straßenrand: am nächsten Tag fährt hier der Giro di Italia, das größte Radrennen Italiens durch.
Wir werden immer wieder gefragt, wie es denn möglich ist, mit Kind eine solche Tour zu machen und wie sie das so mitmacht. Isabella ist von Anfang an gern in ihrem Anhänger gesessen, Hase Fridolin, ein paar Bücher oder auch mal eine Puppe durften nicht fehlen. Und natürlich ist es auf der ganzen Tour wichtig, viele Pausen einzulegen und Isabella öfters aus dem Anhänger zu holen. Manchmal haben wir sogar ganze Ortschaften nach einem Spielplatz abgeklappert.
Da Pfingsten 2016 recht früh war, hatten wir teilweise ganz schön Probleme mit Unterkünften: die Skisaison schon beendet, aber die Sommersaison hat noch nicht begonnen, viele Hotels sind geschlossen, und wir müssen teilweise lange suchen. Für ein romantisch aussehendes Hotel müssen wir extra einen Umweg von 15 km machen. Leider sind wir enttäuscht, da die Hotelbesitzerin auch für unsere noch nicht einmal 2-jährige Isabella Geld haben wollte, obwohl wir sogar ein eigenes (aufblasbares) Bett für sie dabeihatten.
In der Palagruppe biegen ins schönes Val Venegia ab: es ist für Autos gesperrt, aber weiter oben treffen wir dafür auf Schnee – auf immer mehr Schnee. Von oben kommende Wanderer meinen, wir kommen da nie herüber. Aber wir haben keine Lust zum Umkehren und probieren es trotzdem. Oben ist die Forststraße noch tief verschneit und zwingt uns zu schieben. Genauer gesagt müssen wir das Rad mit Anhänger mühsam zu zweit schieben und das zweite Rad dann extra nachholen. Und dabei holen wir uns auch noch nasse Füße.
Da es aber zwischendurch auch noch Gewitter gab, stellen wir uns einmal unter dem Balkon eines Ferienhauses unter. Laut Wetter-App auf dem Handy soll es um 17 Uhr aufhören zu regnen. Obwohl wir nicht so recht dran glauben, beschließen wir, bis dahin zu warten: und tatsächlich hört es auf!
Eine ehemalige Militärstraße zieht steil auf die Hochfläche von Asiago. Der Weg darf nur von Mountainbikern bergauf benutzt werden – alles Andere ist verboten. Da dieses Gebiet im 1. Weltkrieg sehr umkämpft war, haben die Österreicher extra eine Nachschubstraße in die Steilhänge gebaut bzw. gesprengt. Oben gibt es nur eine einzige ganzjährig geöffnete Hütte, wo wir unterkommen können. Das ist unser Glück, denn wir müssen Akkus nachladen, nicht nur für die Räder, sondern auch für GPS, Handy oder Laptop. Deswegen haben wir auch immer einen Dreifachstecker und entsprechende Adapter dabei. Im Laufe des Abends macht Walter dann nicht nur die weitere Routenplanung im Detail, sondern gleich noch die Tagesstatistik oder die erste Bildbearbeitung der Fotos.
Wir fahren weiter über grobschottrige ehemalige Militärwege und treffen den ganzen Tag fast keine Menschen. Noch einmal müssen wir über Schneefelder und haben einen langen Tag über mehrere Pässe vor uns. Bei Christine schlägt die Stimmung allmählich um, denn wir haben schon wieder nasse Füße und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
Erst am Abend tauchen die schönen Almstraßen auf, die Walter für den Nachmittag versprochen hatte - zu einer Zeit, wo wir sonst schon längst in einer Unterkunft sein sollten. Das erste Hotel, auf das wir treffen, hat dazu auch noch geschlossen!
Aber dann finden wir doch noch eine Unterkunft vor der Dunkelheit und erreichen am nächsten Tag ohne größere Probleme glücklich unser Etappenziel Riva am Gardasee.